Geschichte der Störche 2024

Die Storchensaison 2024 ist eröffnet: In den Hergershäuser Wiesen wird wieder laut und heftig geklappert!

Schon am 4. Februar besetzte ein Storchenpaar dauerhaft das Nest am Klärwerk. Ein genauer Blick auf die Beine der Störche verriet dann aber, dass beide Störche unberingt waren. Es konnte sich also entweder um die (unberingte) Altstörchin mit einem neuen Partner handeln oder um ein gänzlich neues Storchenpaar. Vom Altstorch mit der Ringnummer A9337 hingegen zunächst keine Spur – er kehrte erst drei Wochen später zurück und wurde von einer aufmerksamen Fotografin auf einer Wiese entdeckt und im Bild festgehalten:

Foto: Andrea Kammer

An der Gersprenz erlebten die zurückkehrenden Störche eine böse Überraschung: Fast alle Horste waren verschwunden. Was war passiert? Schon im Herbst hatte sich gezeigt, dass der Uferweg auf der Eppertshäuser Seite durch die Aktivitäten der Bieber zum Teil unterhöhlt und viele Pappeln und Erlen morsch und nicht mehr standsicher waren. Während des Winters wurden also die betroffenen Bäume gefällt oder gestutzt und mit ihnen zwangsläufig auch etliche Quartiere der Störche beseitigt. Zum Glück blieben aber Baumstümpfe erhalten, und diese nutzten dann die Störche als Untergrund für einen Nestneubau. Somit gibt es jetzt schon wieder drei besetzte Horste an der Gersprenz.

Foto: Horst Jenke

Größter Anziehungspunkt für die Störche ist auch in diesem Jahr wieder das Pappelwäldchen. Hier sind schon wieder alle Nester – mittlerweile weit über zwanzig! – besetzt. Täglich landen neue Störche auf Stümpfen und Astgabeln, verharren in Warteposition und sondieren die Lage. Vielfach versuchen sie in mehrfachen Anflügen, Konkurrenten aus ihren Nestern zu vertreiben. Diese wiederum verteidigen mit heftigem Geklapper ihr Quartier. Bei aller Rangelei geht es dennoch recht friedlich zu, und man gewinnt den Eindruck, dass die Störche sich hier gern in Gemeinschaft mit ihren Artgenossen aufhalten.

Foto: Andrea Kammer

Für den Beobachter hingegen, der schon mal abklären möchte, welche Störche hier Stammgäste sind und ihr gewohntes Quartier zum Brüten wieder bezogen haben, ist die momentane Situation noch sehr unübersichtlich. Da gilt es die nächsten Wochen abzuwarten, sind derzeit doch noch viele Störche auf dem Rückflug aus dem Süden. Sie schauen sich gerne auch in anderen Gegenden um, fliegen dann aber weiter in ihren eigentlichen Heimatort.

Auch die Horste an den weiteren Standorten – im Seerich, hinter dem Beobachtungsstand, auf dem Sande und in der Pappelreihe am Altheimer Bahnhof –  sind alle belegt.

So wie es aussieht, können Storchenfreunde ein überaus erfreuliches und erfolgreiches Storchenjahr erwarten!

Beringung der Störche im Klärwerksnest

Jungstörche sollten am besten in einem Alter von vier bis sechs Wochen beringt werden. Dann funktioniert nämlich noch die sogenannte Akinese (Bild 1), ein natürlicher Totstellreflex, der immer dann eintritt, wenn den Tieren eine vermeintliche Gefahr droht. Dieses Verhalten nutzt der Beringer natürlich gern, um in Ruhe die Ringe anpassen zu können. In geradzahligen Jahren werden sie am rechten Bein befestigt, in Jahren mit ungerader Zahl am linken.

Bild 1 | Foto: Andy Schürr

In diesem Jahr kündigte sich der für unsere Region zuständige Beringer Klaus Hillerich für den 23. Mai an. Wie üblich wurde er mit dem Hubwagen direkt ans Nest hochgefahren, in dem vier Nestlinge – gerade mal vier Wochen alt, aber schon recht kräftig – regungslos verharrten. Wie auf Bild 2 gut zu erkennen, ließen sie die Prozedur mit großer Gelassenheit über sich ergehen.

Bild 2 | Foto: Andy Schürr

Eine Besonderheit sei noch zu erwähnen: Weil die Storcheneltern nicht beringt sind, man ihre Herkunft also nicht  feststellen kann, haben diese Jungstörche nicht den üblichen ELSA (European Laser Signed Advanced)-Ring, sondern einen etwas anders gestalteten Alu-Ring rechts unten am Fußgelenk erhalten.

Die Altstörche verlassen, wie zu erwarten, sofort den Horst, sobald sich Menschen nähern, beobachten aber das Geschehen aus gebührendem Abstand (Bild 3). Sie kehren sofort zurück, wenn die „Eindringlinge“ das Terrain verlassen haben und wieder Ruhe eingekehrt ist.

Bild 3 | Foto: Horst Usinger

         Turbulenter Saisonbeginn im Pappelwäldchen …

 

Wie schon berichtet, gab es einen regelrechten Ansturm der Störche auf das Pappelwäldchen. Dabei waren es nur wenige „Stammpaare“, die zum Brüten wieder ihre Horste vom Vorjahr besetzten. Diesmal tauchten fast nur zwei- und dreijährige Jungstörche auf, die, aus dem Süden kommend, zum erstenmal in ihrer Heimat nach einem Brutplatz Ausschau hielten. In kürzester Zeit suchten und transportierten sie in großen Mengen Nistmaterial (Bild 1 und 2), bauten Nester oder besetzten schon vorhandene, vertrieben andere Störche aus ihren Quartieren, um dort schon mal probeweise Platz zu nehmen, oder wechselten ständig ihren Standort.


Bild 1 | Foto: Andy Schürr 

  Bild 2 | Foto: Andy Schürr                                                            

 

Geradezu übermütig und ausgelassen mischten sie das Pappelwäldchen auf, galt für sie ja noch nicht die vielzitierte Nest- und Partnertreue. Ein wirklich beeindruckendes Schauspiel, aber unmöglich, auch nur annähernd eine valide Zuordnung zu den mittlerweile  knapp dreißig Horsten vorzunehmen.

 

 

                    …und das Ende der Storchen-Idylle

 

Doch dann änderte sich – immer deutlicher sichtbar – die Situation. Plötzlich blieben neu gebaute Horste leer; mit jedem Tag verließen mehr Störche und  Reiher den Pappelwald. Immer größer wurde das Rätselraten darüber, was denn wohl der Grund dafür sei.

 

Nach wochenlanger Ungewissheit konnte dann am 13. Mai das Rätsel endlich gelöst werden. Der Fotograf Andy Schürr, der im Rahmen des Storchen-Monitoring fast täglich seine Kontrolltour durch die Hergershäuser Wiesen macht und Fotos, Ringnummern und Daten liefert, war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und sah mit einmal die Ursache für das Ende der Storchen-Idylle: einen Waschbären. Schürr entdeckte das Raubtier – auf Bild 3 deutlich zu erkennen – in der Nähe eines Storchennestes hoch oben in den Wipfeln des Pappelwaldes.

 


Bild 3 | Foto: Andy Schürr

 

Was nun? Der Waschbär ist als sogenanntes Neozoon ein hier eigentlich nicht heimisches, „zugereistes“ Tier. Waschbären sind Allesfresser, die sich von Beeren und Früchten, aber auch von Amphibien und Reptilien, von Insekten, kleinen Säugetieren und leider auch von Vögeln und ihren Eiern ernähren. Mit einem Schlag erklärte sich, warum Graureiher und Störche, deren Horste vor dem Waschbären alles andere als sicher waren, fluchtartig das Pappelwäldchen verlassen hatten. Das Gleiche in der Reiherkolonie hinter dem Beobachtungsstand: Auch dort wird der Waschbär Nester geplündert haben; Reiher und Störche haben  ihre Quartiere ebenfalls verlassen.

 

Das Aussetzen von zwei Waschbär-Pärchen am hessischen Edersee im Jahr 1934 markiert den Beginn einer nahezu vollständigen Besiedlung Deutschlands durch diesen possierlichen kleinen Bären. Die Bestandszahlen liegen heute schon im sechsstelligen Bereich, womit der Waschbär zu einem festen Bestandteil der heimischen Fauna geworden ist. Also wird er auch dauerhaft in den Hergershäuser Wiesen ansässig sein; Störche und Reiher müssen sich deshalb auf seine Präsenz einstellen, und  das werden sie hoffentlich auch tun. Immerhin haben einige wenige Storchenpaare mit ihren Nestlingen die Waschbär-Attacke ohne Schaden überstanden, weil ihre Horste zum Glück schon jetzt für ihn unerreichbar waren. Man darf also gespannt sein, wie sich die Situation im Pappelwäldchen weiter entwickelt.

 

 

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